In Zeiten dominierender ETA Großserienwerke suchen manche Uhrenliebhaber den Ausweg in antiquarischen Uhrwerken, die heute noch in neuen Uhren eingeschalt werden. Wer sich kein Masterpiece von Maurice Lacroix leisten kann, für den sind Buran oder Orfina erwägenswerte Alternativen.
Bis Mitte der siebziger Jahre gab es eine beachtliche Werkevielfalt bei den Chronographen. Obwohl die Generation der Schaltrad-Kaliber mit Ausnahme des automatischen Zenith EI Primero bereits die Wachablösung zugunsten einfacher zu produzierender Uhrwerke mit Kulissensteuerung erlebt hat, stand die Vereinheitlichung auf Basis des Kalibers 7750 und seiner Handaufzug-Mutation kurz bevor. Dafür wurde auch die Kaliberfamilie 7730 geopfert, zudem jenes Basiswerk 7733 gehört, das auf das Venus 188 von 1952 linear und im Detail zurückverfolgt werden kann. Als Venus, beheimatet in Münster bei Bern, Mitte der sechziger Jahre aufgeben musste, fiel das erste kulissengesteuerte Werk überhaupt an den Erzrivalen Valjoux, der darin die Chance sah, preiswert an ein zunehmend gefragtes Economy-Kaliber zu kommen.
Vom Kaliber 7730 gab es insgesamt drei Varianten, das 7733 mit 30-Minuten-Zähler ohne Datum (Werkhöhe 5,5 mm), das 7734 mit Datum auf sechs Uhr (Werkhöhe 6,8 mm) und das Kaliber 7736 mit einer Werkhöhe von 7,9 mm. Maurice Lacroix präsentierte den Urahn, das Kaliber Venus 188 ebenso in einem perfekt finissierten Masterpiece-Modell wie das spätere und in Details leicht veränderte Valjoux 7736, dessen signifikantestes Merkmal der Stundenzähler ist.
Ein „Masterpiece“ zum Jubiläum
Auch Orfina in Grenchen gelang es, noch 75 Exemplare dieses mit 14linigen ungewöhnlich großen Kalibers aus Restbeständen zu rekrutieren und es in ein Jubiläumsmodell zum 75. Geburtstag, des in neueren Zeiten stark mit Porsche Design in Verbindung gebrachten Unternehmens, einzubauen. Die Uhr ist die authentische Replika eines Orfina-Modells von 1969. Für diesen Vergleich haben wir einen ungewöhnlichen Gegner ausgemacht, der aber allen Uhrenliebhabern wohlbekannt ist, nämlich den Buran Fliegerchronographen von Poljot, Moskaus erster Uhrenfabrik. Obwohl es sich preislich gesehen bei Orfina und Buran um zwei Extreme handelt, die exakt 1591 Mark auseinander liegen, erschien uns ein Vergleich trotzdem sinnvoll. Denn beide Uhren, auch die Orfina, decken noch Einsteiger-Preislagen ab, vor allem wenn man das absolut gesehen, recht individuelle Kaliber berücksichtigt, das es ansonsten nur noch bei Aviation im Breitling Navitimer Gehäuse zum Preis von etwa 1680 Mark gibt.
Die Orfina zeigt eine aufwendige Werkdekoration die einem Masterpiece von Maurice Lacroix nicht nachsteht. Selbst ein „Brot und Butter-Kaliber“, wie es das Valjoux 7736 eigentlich darstellt, wird dank dieses Aufwands zum schönen Kleinod
Odyssee eines Uhrwerks von Bern bis Moskau
Orfina und Buran verwenden das prinzipiell gleiche Uhrwerk. Die Russen kauften Ende der siebziger Jahre die Fertigungswerkzeuge des bei Valjoux ausgelaufenen und abgeschriebenen Kalibers auf und entwickelten es im Laufe der Zeit geringfügig weiter. Einige Messinglager vor allem im Bereich des Aufzugs wurden durch Steinlager ersetzt, was der Verringerung der Reibung und Erhöhung der Lebensdauer gleichermaßen zugute kommt. Trotzdem trennen die beiden Werke Welten. Während das russische Poljot-Kaliber 3133 in vielen Details relativ roh und kaum bearbeitet wirkt, präsentiert sich das um einen Stundenzähler unter Aufopferung des Datums modifizierte Original-Valjoux 7736 in einer exzellenten Finnissierung. Platine, Brücken und Hebel sind fast vollständig von feinen Schliffen überzogen ein paar gebläute Schrauben setzen Akzente. Bei genaueren Hinsehen fällt im Vergleich auch die größere Unruh des meisterhaft ausstaffierten Orfina Jubiläumswerkes ins Auge, das noch mit der ursprünglichen Schlagzahl von 18000 Halbschwingungen pro Stunde arbeitet.
Auch in dieser Disziplin gibt sich das Poljot 3133 zeitgemäßer, die Russen tunten es im Interesse besserer Ganggenauigkeit auf 21 600 A/h und mussten diese konstruktiv mit einer kleineren Unruh auffangen, die Platine zeigt jedoch noch die ursprüngliche größere Ausfräsung für den Unruhreif.
Dennoch scheint die gute konstruktive Absicht in den scheinbar geringfügig höheren Fertigungstoleranzen der Moskauer steckenzubleiben. Die Orfina-Jubiläumnsuhr geht in allen Lagen geringfügig besser und zeigt ihr kleines Werkkunstwerk, das beweist, daß man auch ein Mittelklasse- Triebwerk noch veredeln kann, hinter einem verschraubten Glasboden. Der in kreisförmigen Strukturen mattgeläppte Druckboden der Poljot wirkt von der Gestaltung wie eine verkleinerte …
Auszug aus einem Vergleichstest in Chronos 2/98:
Poljot Buran gegen Orfina 1922 Jubiläum
In dem Artikel „Brot und Butter“ wird unter anderem die „größte Gangabweichung“ beim Kaliber Poljot 3133 mit 9 Sekunden pro Tag angegeben…wie ist das genau zu verstehen? Mir erscheinen 9 Sekunden pro Tag sehr viel, das würde bedeuten die Uhr hat eine wöchentliche Gangabweichung von bis zu 1,03 Minuten und im Monat von über 4 Minuten…oder ist die maximale Abweichung NUR unter bestimmten Bedingungen gemessen worden?
MFG
Rüdiger Noll
Russische Chronographenwerke sind keine von Glasütte i/SA oder vom schweizerischem COSC zertifizierten „Chronometer“ Werke. Die letzte „offizielle Herstellerangabe“ von MakTime zur Ganggenauigkeit von 31mm Werken war gar nur: -10/+50 sek/Tag… Es gibt Kunden die berichten allerdings davon das z.B. Ihr Poljot/MakTime 3133 auf eine Ganggenauigkeit von unter -4/+3 genau tickt! Solch ein Wert wäre also vergleichbar mit einer COSC zertifizierten Rolex. Ein Poljot/MakTime Werk ist kein auf Präzision getrimmtes Werk. Durch Justage und Einregulierung kann zwar durchaus ein sehr guter Wert erreicht werden, eine werksseitige Ausrichtung auf solche Top-Werte hat allerdings weder bei Poljot noch bei MakTime je existiert.
Eine mechanische Uhr unterliegt sehr vielen Faktoren die zur Ganggenauigkeit beitragen bzw. diese beinflussen. Selbst ein COSC Zertifikat erlaubt eine Abweichung beim mittleren täglichen Gang von -4 bis +6 sek/Tag.
Wir achten darauf das unsere russischen Chronographen mir sehr ordentlichen Gangwerten das Haus verlassen. Dabei orientieren wir uns allerdings an den oben genannten Herstellerangaben von MakTime. Würden wir -4 bis +6 sek/Tag garantieren, müsste ein russischer Chronograph ein vielfaches seines jetzigen Preises kosten. Allein die Prüfung würde schon knapp 2 Wochen dauern! Der Aufwand und die Kosten wären enorm.
Wer auf wirkliche Ganggenauigkeit bei einem bezahlbaren Preis angewiesen ist, sollte in unseren Augen unbedingt zu einer Quarzuhr greifen. Einer mechanischen Uhr (insbesonders wenn günstig), sollte man durchaus den ein oder anderen schlechten Tag verzeihen.
Ich hoffe Sie können sich mit meiner Antwort versöhnen. Mit besten Grüssen aus München.